Gastbeitrag:
Der Ehevertrag: Stimmungskiller oder Liebesbekenntnis?
Hallo liebe Brautpaare, schön, dass ihr hier seid!
Heute möchten wir euch ein bisschen über den „unromantischeren“ aber dennoch sehr wichtigen Part der Eheschließung informieren: Den Ehevertrag.
Was ist der Ehevertrag überhaupt, was wird in ihm geregelt und wann wird dieser geschlossen?
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Niklas Clamann für diesen informativen und hilfreichen Beitrag und hoffen, dass er euch gefällt!
Viel Spaß beim lesen. 🙂

Der Ehevertrag: Stimmungskiller oder Liebesbekenntnis?
– Ein Gastbeitrag von Niklas Clamann, Anwalt für Familienrecht in Münster und Betreiber von Online Scheidung Deutschland.
Der Ehevertrag verdirbt die Vorfreude auf die Hochzeit.
In den Monaten vor dem schönsten Tag des Lebens sollte man sich mit weißen Kleidern beschäftigen. Mit Kuchen, Tischkärtchen und Ringen. Aber nicht mit den möglichen Folgen einer Scheidung. Und überhaupt, wer einen Ehevertrag schließt, glaubt gar nicht wirklich an die Beziehung. Oder?
Zugegeben, als Anwalt im Familienrecht ist man überwiegend mit Scheidungen beschäftigt. Aber auch Heiratswillige oder langjährige Ehepaare kommen in meine Kanzlei, um sich zu ihrem Ehevertrag beraten zu lassen – und viele davon brauchen ihn nie. In diesem Gastbeitrag möchte ich mit dem schlechten Ruf des Ehevertrags aufräumen und angehenden Ehepaaren einen Leitfaden zu möglichen Regelungen und dem Abschluss eines Ehevertrags bieten.


Was ist ein Ehevertrag?
Mit der Ehe entscheiden sich die Partner:innen nicht nur für die ewige Liebe.
Wer in Deutschland heiratet, unterliegt automatisch den gesetzlichen Regelungen zum Güterstand, Unterhalt und Versorgungsausgleich.
Sie existieren, um im Trennungsfall für einen fairen Ausgleich zwischen den Eheleuten zu sorgen.
Doch nicht auf jede Ehe passt dieser standardisierte Ausgleich. Wollen die Eheleute individuelle Bestimmungen für ihre konkreten Lebensverhältnisse treffen, schließen sie dafür einen Ehevertrag.
Welche Regelungen können und sollten in einem Ehevertrag getroffen werden?
In einem klassischen Ehevertrag werden das Güter- und Unterhaltsrecht und der Versorgungsausgleich geregelt.
Manchmal werden zusätzlich erbrechtliche Vereinbarungen getroffen.
1. Das Güterrecht
Das Güterrecht setzt sich mit den Vermögensverhältnissen der Eheleute auseinander. Der gesetzliche Standard ist hier die Zugewinngemeinschaft: Die Eheleute verfügen über getrennte Vermögensmassen und jede:r wirtschaftet für sich selbst. Kommt es zu einer Scheidung, findet der Zugewinnausgleich statt. Hier wird für jede:n Ehepartner:in die Differenz aus dem Anfangs- und dem Endvermögen in der Ehezeit (= der Zugewinn) berechnet. Wer den höheren Zugewinn erwirtschaftet hat, ist dem/der Anderen gegenüber zum Ausgleich in Höhe des halben Zugewinns verpflichtet. Gedacht ist diese Lösung insbesondere für Paare, die eine klare Rollentrennung zwischen unbezahlter Care- und Lohnarbeit in ihrer Ehe leben. Kann ein:e Ehepartner:in das Vermögen nur aufbauen, weil sich der/die Andere allein um Kindererziehung, die Pflege Angehöriger und den Haushalt kümmert, würde dieses finanzielle Ungleichgewicht durch eine Scheidung ohne Zugewinnausgleich verfestigt.
Davon können die Eheleute zunächst durch Vereinbarung einer modifizierten Zugewinngemeinschaft abweichen. Im Grundsatz funktioniert dieser Güterstand wie die klassische Zugewinngemeinschaft. Der Ausgleich des Zugewinns kann jedoch an die Lebensumstände des Paares angepasst werden, etwa indem einzelne Vermögensmassen aus dem Zugewinn ausgeschlossen werden. Diese Lösung bietet sich insbesondere für Paare an, bei denen eine:r selbständig ist und den Bestand seines/ihres Unternehmens absichern möchte oder bei denen eine:r außerhalb der Ehe über Immobilien verfügt, an deren Wertsteigerung der/die Andere nicht beteiligt werden soll.
Alternativ kann durch den Ehevertrag auch die Gütertrennung vereinbart werden. Auch hier verfügen die Eheleute über getrennte Vermögensmassen. Im Gegensatz zur (modifizierten) Zugewinngemeinschaft findet bei Ende der Ehe jedoch keinerlei Ausgleich statt. Dieser Güterstand bietet sich für Paare an, die bereits vor der Ehe über erhebliche Vermögenswerte verfügen. Aber auch in Unternehmerehen, in denen beide unabhängig voneinander Vermögen aufbauen und dieses schützen möchten, wird die Gütertrennung klassischerweise vereinbart.
2. Das Unterhaltsrecht
Durch Unterhaltszahlungen soll der Lebensbedarf des wirtschaftlich schwächeren Teils der Eheleute oder gemeinsamer Kinder gesichert werden.
Zu unterscheiden ist zwischen dem Trennungsunterhalt, dem nachehelichen Unterhalt und dem Kindesunterhalt.
Der Trennungsunterhalt wird zwischen den Eheleuten in der Zeit zwischen der Trennung und der Scheidung gezahlt. In dieser Zeit besteht die eheliche Pflicht füreinander zu sorgen fort. Ebenso ist das Kindeswohl gesetzlich besonders geschützt und finanziell abgesichert durch den Kindesunterhalt. Begrenzungen nach unten oder gar ein Verzicht sind hier kaum bis unmöglich. Allerdings können die Eheleute den Unterhalt vertraglich erhöhen und so das finanzielle Wohl des/der wirtschaftlich Schwächeren besser schützen.
Schließlich gibt es den nachehelichen Unterhalt, der ebenfalls zwischen den Eheleuten gezahlt wird und den ehelichen Lebensstandard auch nach einer Scheidung aufrechterhalten soll. Begrenzungen in der Höhe, zeitliche Beschränkungen oder ein Ausschluss sind hier möglich, weil die Eheleute als erwachsene Personen grundsätzlich zum eigenverantwortlichen Erwerb ihres Lebensunterhalts verpflichtet sind. Aber auch hier muss die konkrete Situation des Paares berücksichtigt werden, etwa wenn eine:r schwer erkrankt ist oder infolge der ausschließlichen Haushaltsführung über weniger Berufserfahrung verfügt.
3. Der Versorgungsausgleich
Der Versorgungsausgleich findet statt, wenn die Eheleute nichts anderes vereinbart haben.
Dabei werden die während der Ehe erworbenen Alters- und Invaliditätsversorgungsansprüche (Rentenpunkte oder ähnliches) als gemeinschaftliche Lebensleistung verstanden. Sie werden jeweils hälftig geteilt und auf den/die Andere:n übertragen.
Ebenso wie der hälftigen Aufteilung des Vermögens bei der Zugewinngemeinschaft liegt diesem Ausgleich die „klassische Rollenverteilung“ zugrunde: Die Care-Arbeit wird der Lohnarbeit gleichgestellt und wirtschaftliche Verluste des/der Haushaltsführenden werden ausgeglichen.
Andere vertragliche Vereinbarungen können hier sinnvoll sein, wenn die Ehe erst spät geschlossen wird, sodass beide Partner:innen schon ausreichend für das Alter vorgesorgt haben oder die Altersvorsorge auf andere Art als durch Versorgungsansprüche, beispielsweise durch die Übertragung einer Immobilie, gesichert wird.
4. Grenzen der möglichen Regelungen
Durch die vielseitigen Möglichkeiten von Begrenzungen, Erhöhungen, Bedingungen und Verzichten schwebt über allen ehevertraglichen Vereinbarungen die „Sittenwidrigkeit“ – und sittenwidrige Vereinbarungen sind unwirksam.
Sie liegt vor, wenn ein:e Ehepartner:in stark benachteilt wird und finanziell nicht abgesichert wäre. Die Eheleute sollten daher immer um einen fairen Ausgleich bemüht sein und sich anwaltlich beraten lassen.


Wann und wie wird ein Ehevertrag geschlossen?
Der Ehevertrag kann vor der Hochzeit, aber auch noch während der Ehe geschlossen werden. Auch gemeinsame Änderungen und Ergänzungen oder die Aufhebung des Ehevertrags ist jederzeit möglich und sollte immer angepasst an die aktuellen Lebensumstände erfolgen.
Der Vertrag kann von den Eheleuten selbst aufgesetzt werden. Hier empfiehlt sich im Anschluss die Prüfung durch einen Anwalt. Alternativ kann ein Anwalt auch von Anfang an mit der Gestaltung des Vertrags betraut werden. In jedem Fall muss der Vertrag aber notariell beurkundet werden. Wird er nur am heimischen Küchentisch unterschrieben, hat er rechtlich keine Wirkung.
Und wo bleibt die Romantik?
Ein Ehevertrag bedeutet nicht, dass die Scheidung eintreten muss.
Stattdessen regelt er, wie die Scheidung im Falle einer Trennung abläuft. Er ist nicht unromantischer als die gesetzlichen Regelungen, die ohnehin Anwendung finden, aber auf die Situation des Paares vielleicht gar nicht passen.
Vielmehr zeugt er von einem aufrechten Umgang miteinander: Die Eheleute vereinbaren, selbst im worst-case Szenario nur das Beste füreinander zu wollen und nicht auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein.
Wird er nie gebraucht, kann er einfach in der Schublade verstauben und zur Eichenhochzeit feierlich verbrannt werden.
Das wünsche ich allen angehenden Ehepaaren.
Wir hoffen, euch hat der Beitrag gefallen.
Viel Spaß bei eurer Hochzeit und alles Gute für eure gemeinsame Zukunft!
Alles Liebe!
Eure Sabrina & Larissa
